Mittwoch, 7. Dezember 2011

Mittwochs-Rezi: Der Joker von Markus Zuzak

5 von 5 Eselsohren
Mit diesem Buch habe ich den Zugang zu Makus Zuzaks Stil gefunden, der mir sonst wohl verschlossen geblieben wäre. Nicht auszudenken!
Als ich die letzte Seite von "Der Joker" beendet hatte, war mein erster Weg der zu Google. "Gib mir mehr von Zuzak!" Das Ergebnis überraschte mich: Er ist auch der Autor der "Bücherdiebin" die ich bis dahin als "merkwürdig und nicht mein Ding" weggelegt hatte. Das aber wundert mich bis heute nicht: Zuzak zeichnet sich durch eine unmittelbare, scheinbar ungefilterte Sprache seiner Akteure aus, was im Szenario des Dritten Reiches in der Bücherdiebin sehr erschütternd ist. Der Joker jedoch schaffte es über meine innere Abwehr. Zum Glück! Zuzak ist ein großartiger Autor. Und auch die Bücherdiebin habe ich inzwischen gelesen. Aber davon später mal. "Der Joker" ist  Zivilcourage aus der Innensicht. Ganz und gar wundervoll.

Ed, ein junger vor sich hin lebender australischer Teenager, gerät zu Beginn in einen Banküberfall und kann ihn durch eine Verkettung eher unglücklicher Umstände vereiteln. So verschafft er sich bei einem Unbekannten den Ruf des Helden -  dabei hängt er doch nur mit seinen Freunden rum, spielt Karten, trinkt und lebt wie die Leute im Getto halt so leben. Aber das interessiert den Fremden herzlich wenig. Der beauftragt ihn über Spielkarten mit Missionen, die Zivilcourage erfordern und denen sich Ed nicht entziehen kann.

Es ist lange her, dass mir Fomulierungen den Atem raubten und erzählerische Kniffe mich so geschickt entführten, dass ich erst im Rückblick erkannte, wie bedingungslos ich dem Autoren gefolgt bin. Zuzak beherrscht die indivuduellen Stimmen, die vielfäligen Blicke auf die Welt. Er scheint keinen einzigartig-eigenen Stil zu haben sondern immer genau den, der für seine Geschichte am besten trägt. In "Der Joker" blickt er auf eine durch und durch alltägliche Welt - er überzeichnet nicht, er beschönigt nicht. "Es is halt wie es is." Zuzak erzeugt eine mitreißende Dramatik zwischen den persönlichen Konflikten und der Jagd nach dem mysteriösen Auftraggeber. Jeder seiner Protagonisten hat ein schlüssiges Profil und genug Tiefe, den Leser zu fangen.

Das Buch macht Zivilcourage für den Leser live erfahrbar. Was bringt einen Menschen dazu, seine Komfortzone zu verlassen und anderen zu helfen? Wie reagieren Freunde auf solche Handlungen und wie verändert sich das Leben eines Durchschnitts-Tagediebs wenn er aus seinem Trott ausbricht? Wir stecken während der Lektüre tief im Kopf von Ed. Die großartige Sprache Zuzaks lässt die Welt so real werden, dass jede Sekunde im Sprachzentrum zu explodieren scheint.

Fazit
Modernes Märchen, moderne Wunder - und das ganze unterhaltsam und unglaublich sprachautentisch zu Papier gebracht. Großes Kino!

Taschenbuch bei ctb ISBN 9783570305393

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