Mittwoch, 16. Januar 2013

Mittwochs-Rezi: Dornenkuss von Bettina Belitz

3 von 5 Eselsohren

Die Liebesgeschichte zwischen dem Nachtmahr Colin und dem deutschen Mädchen Elisabeth ist mit so viel Gefühl und Bodenhaftung konzipiert, dass es sich lohnt, sie bis zum Ende zu lesen. Aber leicht macht es die Autorin ihren Lesern nicht. Obwohl ich direkt nach Scherbenmond zum Folgeband gegriffen hatte, lag er schließlich ganze vier Monate fast unangetastet auf dem Nachttisch. Ende kam ich in zwei Tagen durch.


Etwas weniger Bewusstseinsstrom hätte dem Dornenkuss gut zu Gesicht gestanden. Ich habe den Eindruck, dass Bettina Belitz in der letzten Überarbeitungs-Phase der Umfang des Projekts etwas über den Kopf gewachsen ist. Trotzdem ist die Trilogie in Gänze eine grandiose Story. Diese zu Ende erzählt zu bekommen, war auch die etwas mühevollere Lektüre wert.




Handlungsverlauf
Am Ende von Scherbenmond blieben viele Enden lose und Fragen unbeantwortet. Klar, dass es einen Teil drei geben musste.
  • Colin floh vor seiner Mutter Tessa übers Meer, weit weg von ihrer Heimat in Süditalien.
  • Die Spur von Ellis Vater verlor sich genau dort, in Süditalien. 
  • Ellis Bruder war von seinem Mahr befreit und frisch verliebt in eine Frau mit italienischen Wurzeln
  • Ellis Mutter gab ihren Mann verloren und bandelte mit Tillmanns Vater an. 
  • Tillmann suchte sich selbst. 
  • Elli stand vor der Forderung des Vaters, dessen Nachfolge anzutreten - nur mit einer Europakarte voller Kreuze.
Dass es nach Italien gehen sollte, war demnach vorgezeichnet. Dennoch verlieren sich die ersten Kapitel in einer Gedankenschwere, die Stephenie Meyers "New Moon"/"Bis(s) zur Mittagsstunde" alle Ehre gemacht hätte.

Bis wir also verschwitzt, übermüdet und dehydriert in Italien ankommen, reihen sich Alptraumströme, fruchtlose Diskussionen und Rückblicke aneinander. Nach diesem umständlichen Einstig aber ist die Atmosphäre wieder dicht, lebendigt, total sinnlich. Wieder riecht, schmeckt, fühlt man dank der Schreibkunst von Bettina Belitz die Umgebung absolut intensiv.

Apropos sinnlich: Sexualität ist für die Romanfiguren alles andere als ein Tabu-Thema. Bei der Leseempfehlung sollte der selbstverständliche Umgang mit diversen Sexpraktiken aber schon einfließen. Mir ist diese Art jedoch wesentlich lieber, als das die wegblendend-prüde Romantik, die gerne in diesem Genre um sich greift.


Erzählweise
In diesem Band pendelt der Text irritierend zwischen den Extremen. Auf der einen Seite erklärt sich Bettina Belitz fast 'nen Wolf, um die Gefühle Ellis transparent zu machen. Was sie nicht bräuchte, denn sie hat die Figur wirklich glaubhaft konstruiert. Auf der anderen Seite lässt sie neue Emotionen unerklärt stehen. Irgendwas scheint mit Elli nicht zu stimmen - aber was?

An vielen Stellen macht diese Existenz des blinden Flecks die Geschichte unglaublich spannend - an vielen aber auch einfach nichtssagend und verwirrend. Es gibt einen Unterschied zwischen vorhersehbarer und nachvollziehbarer Handlung. Der Grad mag schmal sein, aber ein guter Lektor sollte ihn halten können.


Kritikpunkte
Neben den bereits aufgebauten Konflikten leistet sich die Autorin einen weiteren Gegenspieler. Dessen Auftauchen verleiht dem dritten Band auch nach der Überwindung Tessas überraschenden Schwung. Besser gefallen hätte mir aber ein etwas anderer Aufbau, bei dem der Gegenspieler schon zu Beginn präsent geworden wäre und so im Idealfall den Kaugummi-Einstieg hätte aufmotzen können. Aber so spät noch etwas Neues ein- statt das Bestehende ordentlich zu Ende zu führen, fand ich etwas holperig.

Was mich außerdem kolossal genervt hat, war die Unmöglichkeit des Querlesens. Denn einerseits hält die Autorin mit endlosen "was bisher geschah"-Nebensätzen das banale Vergangene präsent, andererseits setzt sie komplexe aber bisher nebensächliche Fakten der Vorbücher als bekannt voraus. Ich fühlte mich zum Lesen erpresst und schwankte zwischen Gähnen und verwirrtem Doppelt-Lesen.

Auflösungen
Komplex und (zu) vielschichtig ist dieses Buch wohl auch wegen der vielen Showdown-Episoden. Tessa muss getötet werden, Leopold Sturm muss gefunden werden, das neue Böse muss besiegt werden, Colin will sterben, Elli will lieben. Der Leser will das alles verstehen. Alles schön nacheinander aber doch eigentlich zusammenhängend.

Am Ende kiregt Bettina Belitz kriegt die Kurve. Sie behält den Überblick über ihre Erzählstränge und knüpft sie zu einem gefälligen bis dramatisch schönen Teppich. Dem Übernatürlichen verleiht sie eine innere Logik, der sie sich anschließend komplett unterwirft. Ihre Figuren und Kulissen sind so lebensecht, wie ich es bei Potter, Twilight und vielen anderen All-Age-Reihen schmerzlich vermisst habe.

Fazit
Ein würdiges Ende, dass einen Lektoratsdurchlauf mehr hätte vertragen können. Dennoch: tut es euch an, bewältigt die Gedankenströme, lasst euch auf die Story ein und ihr bekommt ein wundervolles Geschichten-Erlebnis.

Erschienen bei Skript5 als Hardcover
ISBN 9783839001233

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