Mittwoch, 26. Februar 2014

Mittwochs-Rezi: Der Report der Magd von Margaret Atwood

5 von 5 Eselsohren
Ein Beitrag zur Aufgabe #17
der Fantasize-Challenge.


Als ich mich vor einiger Zeit über Dystopien in Romanform schlau machte, stieß ich neben den erwarteten Verdächtigen (1984, Schöne Neue Welt...) auf Der Report der Magd von Margaret Atwood. Die Autorin hatte ich als Autorin des guten zeitgenössischen Romans eingeordnet - dass sie sich auch im Genre der Zukunftsvisionen versucht hat, war mir neu. Seither stand der Titel auf meiner Wunschliste.


Das schmale Büchlein bietet eine dichte Atmosphäre - fast wie eine Kurzgeschichte. Außerdem hatte ich den diffusen Eindruck eines frühen Meryl-Streep- oder Tom-Cruise-Films. Ich vermute, dass das der Zeitgeist ist (das Buch erschien 1985). Allerdings habe ich zu wenig literarischen Background aus der Zeit (abseits von Kinder- und Jugendbüchern), um das fundiert beurteilen zu können.

Margaret Atwoods Vision eines von Sexisten und Zuchtmeistern geprägten Gottesstaates ist beklemmend. Erschreckend ist vor allem, dass keine einzige Entwicklung weit her geholt wirkt. Wir erleben die Republik Gilead, die in den USA errichtet wurde, aus der Perspektive einer Gebärfrau, der niedrigsten Kaste der neuen Gesellschaft. Ihr kühler Bericht fesselte mich von der ersten bis zur letzten Seite.


Setting
Gileads neue Weltordnung ist beklemmend. Nukleare Strahlung hat die meisten Menschen unfruchtbar werden lassen - Panik und Sicherheitsdenken lässt eine krude Sekte an die Macht. Die Söhne Jacobs. Als erste Amtshandlung enteignen sie alle Frauen und geben deren Besitz den nächsten männlichen Verwandten. Flucht wird bestraft - Männer werden gnadenlos erschossen. Frauen - so sie denn fruchtbar sind - kommen in ein Umerziehungszentrum.

Eine Ehe beinhaltet nun 3 Personen. Den Mann, die Hausfrau und die Gebärfrau oder Magd. Die Mägde besitzen buchstäblich nichts mehr. Nicht einmal ihren Namen. Die Erzählerin heißt nun Desfred, da sie dem Haushalt eines Kommandanten mit Vornamen Fred angehört. Die Mägde dürfen nicht schön sein, nicht lieben, nichts besitzen. Und dennoch werden sie von den Ehefrauen gehasst.


Atmosphäre
Es hat was von der Verfilmung von "Nicht ohne meine Tochter" - nur dass die Radikalen in diesem Falle Christen sind. Unter die Haut geht, dass sich die Menschen alle deutlich an ihre Zeit vor der neuen Ordnung erinnern. Desfred schildert eine Vergangenheit, die zeitgemäß scheint. Ihre Mutter war Feministin und ging auf die Straße dafür. Sie selbst hatte einen Job in der Bank, einen Mann, ein Kind, ein Haus. Und nun? Bewegt sie sich in den Kulissen ihres alten Lebens - als Enteignete, die ständig Gefahr läuft, durch eine Grenzüberschreitung ihr Leben zu verlieren. Einzig ihre Fruchtbarkeit rettet sie - in ein Leben, dass nicht ihr gehört.

Abseits dieser Kulisse sind die Menschen "ganz normal" - sie haben nachvollziehbare Hoffnungen und Sorgen, verlieren sich in Nachbarschafts-Geplänkel, lieben, hassen, träumen. Der Alltag ist etwas entbehrungsreicher (Nahrungsmittel werden rationiert) aber das hindert die Gesellschaft nicht daran, in alte Muster von Statusdenken und Machtspielchen zu verfallen. Das alles macht den Report der Magd so - ich wiederhole mich - beklemmend. Margaret Atwood schafft es, mit einer schrittweisen Logik eine völlig abstruse Weltordnung plausibel zu machen.


Fazit
Jedem Utopie-, Philosophie-, Politik-Interessierten lege ich deswegen dieses Buch an Herz. Es ist nicht dick, es ist nicht abgehoben geschrieben. Man kommt schnell rein und gut durch. Und es ist seine Lesezeit wert. Zu recht steht es neben 1984 oder Schöne neue Welt.


Übrigens
Das Buch wurde auch verfilmt. Unter dem Titel Die Geschichte der Dienerin gaben sich 1990 Natasha Richardson als Magd, Faye Dunaway als Ehefrau und Robert Duvall als Ehemann die Ehre. Gesehen oder gehört habe ich von diesem Film aber vor der Lektüre des Buches noch nichts. Ich denke aber, dass sich das Buch aufgrund der kammerspielartigen Atmo sehr gut zur Verfilmung eignet. Mal sehen, ob ich das Machwerk auftreiben kann.


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